Postkarten aus dem Graben

  • Liebe Olly, in Deinen Briefen fragst Du, wo ich mich heute amüsieren werde. Du machst Dir ja komische Vorstellungen, von wegen amüsieren. Da hat man schon Laune danach, wenn man mal in Ruhe kommt. Doch Du hast es ja nicht so ge­meint, Du weißt das ja auch, denn Du kennst mich. Die Frühlingsgefühle haben Dir jedenfalls den Anlaß gegeben, uns sind sie wieder vergangen ... War ja auch bloß ein Spaß von mir.

    Wir marschierten mal an zum Trocknen aufgehängter Damenunterwäsche vor­über, na, und die allgemeinen Bemerkun­gen der Kameraden. Habe die Szene da­nach in der kleinen Skizze festgehalten ... Ich könnte mir ja die Zeit vertreiben mit Malen und Schreiben, wie sonst. Aber das geht jetzt nicht, weil ja mein Klemmer weg ist und ich noch keine neue Brille habe. So tun mir die Augen zu sehr weh. Du, mein liebes Mädel, wirst also entschuldigen, wenn Du jetzt von mir nicht viel Post bekommst. Wird schon wieder werden.
  • Menin, 13. August 1917

    Meine liebe Olly! Erhielt gestern Abend Deinen lieben Brief mit der Aufnahme im Badekostüm. Hab mich sehr darüber ge­freut und sage Dir meinen herzlichen Dank ... Heute Abend gehen wir vor in vor­derste Stellung bei Hollebeke. Ich wollte, es wäre acht Tage später und alles ist glücklich vorüber.
  • Meinie, 20. 8. 17, abends 7 Uhr

    Muß Dich aber doch immer wieder bit­ten, mir doch keine Lebensmittel mehr zu schickten, wir bekommen ja genug zu es­sen jetzt. Und Du und Deine Lieben da­heim müssen entbehren.

    Also, mein Lieb , schick keine Eßwaren mehr, meinetwegen Stäbchen, da will ich gar nichts sagen.
  • Lille, 5. 11. 16

    Meine liebe Olly! Na, wenn ich nur heil herauskomme, will ich gerne alles aushal­ten.
    Adr. Sold. E. Müglitz, Feld. Rekru. Depot,
    24. Sächs. Inf. Division, 2. Komp.
  • Bousbecque, 21. 11. 16

    ...außerdem warte ich auch auf Geld, heute soll doch eigentlich Löhnung sein, sieht aber noch nicht so aus, als ob es noch Geld gäbe. Mit uns können sie's ja machen ... Ich muß aufhören zu schreiben, hab abso­lut keine Stimmung, sonst schreibe ich schließlich alles, wie es wirklich ist.
  • Westen, 17. 1. 17

    Mein liebes Mädel, Sonntag ist's, der letz­te, den ich hier im Depot verlebe. Wie Du schon durch meine Karte von gestern wis­sen wirst, sollen wir morgen Montag in Stellung kommen. Es bleibt ja nun auch dabei, morgen früh halb acht stehen wir marschbereit. Weit haben wir es ja nicht, wir bleiben hier im Ypembogen. Der Ab­stand zu den Engländern, sagte Künzel, beträgt 70 Meter.
  • Schützengraben, 19. 1. 17, vorm. 9 Uhr

    Die erste ganze Nacht ist vorüber. Habe im Verlauf 6 Stunden Horchposten mit geschoben. Kann Dir sagen, das ist kein Genuß, mir tun bloß die armen Kerle leid, die nun schon den dritten Winterfeldzug mitmachen.

    In Deinem lieben Brief schreibst Du, daß Du Dir Sorgen um mich machst, das brauchst Du nicht, wir stehen ja alle in Gottes Hand, bete nur, das ist das einzige.
  • Mein Liebling, erhielt soeben wieder Dei­nen lieben Kartenbrief, wofür ich Dir be­stens danke.Du bedauerst uns ,daß wir uns mit solch erbärmlichen Wichten, wie es die Engländer sind, abgeben müssen. Mein Liebling, das sind genau keine anderen Menschen wie wir, die müssen auch nur. Das ist ja eben das Schreckliche , daß man Menschen töten soll, die man gar nicht kennt. Wenn man aber sieht, wie die Ka­meraden fallen, dann ist das Mensch ­Iichkeitsgefühl hin, da heißt es eben, du oder ich ...

    Umstehend ein typisches Bild ,wie es hier in den zum Teil malerischen Häusern der Flamen aussieht. Wirkt das nicht traulich? In der rechten Stubenecke siehst Du auf dem kleinen Schrank die verschiedenen Schutzheiligen, in der Mitte steht Christus unter der Glasglocke ...

    Wenn wenigstens mal ein Lichtblick käme, als ob bald Frieden wür­de, aber so gar keine Hoffnung, keine Aus­sicht auf ein Ende. Jetzt, wo es so schön ist, in der Natur alles grünt und blüht, fällt es einem umso schwerer.

    Mein liebes Mauserl, wenn Du annimmst, daß dieses Flandern schön ist, kannst Du recht haben. Mir tut es manchmal so rich­tig weh, daß ich nicht mit Pinsel und Pa­lette bewaffnet die Gegend durchstreifen kann, anstatt mit Knarre oder Spaten.

    Mir träumte, wir saßen miteinander wie­der unter dem alten Eichenbaum auf der Weidaer Höhe, wo wir voriges Jahr saßen. Weißt Du es noch? Leider sind einige Re­gentropfen darauf gekommen, wollte es aber nicht noch mal machen.

    Eben habe ich mich rasieren lassen, auch noch von zarter Hand, aber die Französin rasiert gut. Da wird man bei Büschel­heuke in Werdau nicht so sauber rasiert. Sonst nichts von Bedeutung.

    Also, mein Lieb, fühle mich manchmal gekränkt durch Bemerkungen von Dir. Lieber Schatz, nimm mir dies nicht übel, es ist einem manchmal nicht so zu Mute, daß man sich jedes geschriebene Wort richtig von beiden Seiten überlegt, ob es auch nicht falsch verstanden werden könnte. Front und Kavalier passen nun mal nicht zusammen.